Zu den schönsten Momenten im Fellow-Alltag
zählen für mich die ersten Male meiner Schülerinnen und Schüler: Zum ersten Mal
eine Hürde meistern, zum ersten Mal das eigene Weltbild hinterfragen… Dieses
erste Mal handelt von einer Gruppe wagemutiger 13-Jähriger aus meiner
Einsatzschule in Simmering, die sich zu einer neuen Welt – dem ehrwürdigen
Wiener Musikverein – aufmachte. Obwohl nur rund sechs Kilometer von ihrer
vertrauten Schule entfernt, war es eine aufregende Erstbegegnung mit der Welt
der sogenannten Hochkultur.
„Du spielst deinen Schülern Klassik vor?“,
werde ich regelmäßig erstaunt von Kollegen gefragt – „Natürlich!“ Zugegeben,
der Einstieg in die klassische Musik ist nicht immer leicht. Doch wurde die
Hemmschwelle bei unserem Besuch schnell abgebaut. Frau Mag. Menheere führte uns
durch die geschichtsträchtigen Räumlichkeiten des Musikvereins und beeindruckte
meine Schülergruppe mit viel Wissenswertem über das Haus: Dass dem
Neujahrskonzert mehr Zuseher folgen als dem Finale der Champions League,
überraschte meine Schüler sichtlich. Während der „Große Goldene“ der
berühmteste Saal des Hauses ist, kürten die Kinder einen anderen zu ihrem
Favoriten: den modernen Gläsernen Saal im Untergeschoß, in dem gerade eine
Probe stattfand. Oder in den Worten eines Schülers: „Der coolste Saal ever!“
Im Anschluss an die Führung nahmen Katharina
Schumann und Christian Krug, zwei Geiger des renommierten Gewandhausorchesters
Leipzig, die Gruppe mit auf eine musikalische Reise. Die Musiker demonstrierten
die Vielseitigkeit ihres Instruments anhand von Duo-Kompositionen von Sergej
Prokofjew, Béla Bartók und Darius Milhaud. Zu schwere Kost? Nein, denn im
Vordergrund standen die Gefühle, welche die Musikstücke auslösten. Der Bogen
spannte sich dabei von Streit und Zorn über Freude, Witz und Lebenslust bis hin
zu Trauer, Frust und Schmerz. Mit den versöhnlichen Tönen verträumten, stillen
Glücks endete der Konzertteil. Danach standen die Profimusiker den interessierten
Schülerinnen und Schülern noch Rede und Antwort, gaben Einblick in das Leben
als Orchestergeiger und erklärten, was die Beziehung zu ihrem Instrument
ausmacht. Auch wenn die Kinder kräftig applaudierten, machten auf mich die
kurzen Momente, in denen in ihren Gesichtern echte Entrückung zu erkennen war,
den stärksten Eindruck.
Rainer Hautpmann, Fellow 2014
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